Banksy kommt nach Chemnitz! Eine Ausstellung gastiert in der Markthalle, perfekt zum sonntags mal Hinflanieren. Viele reisen aus der Ferne an, im Dezember gingen bereits 9.000 Tickets über die Theke: Ein echter Kulturhauptstadt–Blockbuster! Aber: Die Schau ist unautorisiert. Der Künstler würde sie vermutlich ablehnen. Eine kleine Kapitalismuskritik!
Zu sehen sind bei „A Vandal turned Idol“ 44 Drucke und 11 Originale aus einer privaten Sammlung. Dazwischen viele Replikate, viel Luft und Tafel-Text. Hier und da hängen Screens, auf denen kurze Dokus laufen. Eine Lichtinstallation zum Thema Überwachung mit Moving Heads und Kameras ist simpel, aber eigentlich ganz neckisch. Das Storytelling mit 13 thematischen Bereichen gelingt, inklusive der kleinen Einführung, Street Art sei schon in der Antike ein Ding gewesen.
Alles ist inhaltlich gut zugänglich, und wer Banksys subversive Welt mag, bekommt hier viele schöne Impulse. Wusstet ihr, dass er mal ein Album-Cover für Blur gestaltete? Dass er mal für einen Monat einen Anti-Vergnügungspark in Somerset auf die Beine stellte? Klar: Man erfährt hier nichts, was man sich nicht auch in 10 Minuten Wikipedia-Studium anlesen könnte. Spaß macht’s trotzdem, gerade, wenn es großflächig wird. Das Titelmotiv dieses Beitrags hat kaum auf meine Kamera gepasst.
Doch irgendwann fällt mir etwas auf: Immer wieder finden sich sprachliche Fehler und inhaltliche Ungenauigkeiten in den Texten. Fehlende Kommas, Typos, dazu die Behauptung, das englische „rat“ hieße rückwärts „art“. Derartige Laxigkeiten wären mit etwas mehr Sorgfalt vermeidbar. Im Museum hängt die Karriere der Kunsthistorikerin oder des Museologen von der Wissenschaftlichkeit, Penibilität und Sorgfalt ab. Hier im kommerziellen Betrieb fällt sowas salopp unter „wo gehobelt wird, fallen Späne“. Diese Ausstellung ist keine Kuration, sondern eine Produktion. Und das merkt man ihr an vielen Stellen auch an.
Keine Museologen, sondern Event-Profis
Denn: Veranstalter der Schau ist das Concertbüro Zahlmann, für jeden Kulturjournalisten ein gängiger Begriff. Die Agentur füllt normalerweise Arenen mit Lady Gaga, DJ Bobo oder Kurt Krömer oder veranstaltet Licht-Spektakel wie das Lumagica. Das ist wichtig zu wissen, denn hier sind keine KulturwissenschaftlerInnen am Werk, sondern waschechte Event-Profis. Öffentlich gefördert wird hier nix, weder von Stadt oder Land, noch von der Kuha. Stattdessen prangt ein fettes Sponsorenschild im Eingangsbereich. Mit dem Ticketgeld von rund 25 Euro wird jeder Besucher Teil einer gigantischen Marketing-Maschine. Der unbekannte private Sammler ist weder Stifter noch Dauerleihgeber wie im normalen Museumsbetrieb, kein Mäzen, sondern schlicht ein Geschäftsmann. Und die kuratierende künstlerische Leitung, die TextautorInnen? Werden weder auf der Website, noch in der Ausstellung namentlich erwähnt. Unbekannte Phantome. Das nenn ich mal Banksy-Style!
Doch nicht nur am Textlektorat wurde gegeizt. Der Audio-Guide ist nur mit eigenem Smartphone und Kopfhörern verfügbar. Haste nicht dabei? Pech gehabt. Spart aber Produktionskosten.
Die Infotafeln im Immersiv-Kino sind so wahnwitzig kurz gesetzt, dass die Texte unmöglich zu erfassen sind, nicht mal für 14-jährige Tiktok-Smombies. In Kombination mit der Bilderflut entsteht heillose Überforderung. Sowas muss doch bei einer Sichtung auffallen!
Weiter geht’s im Virtual Reality-Bereich: Mit 360°-Rundumblick geht es durch Banksy-Städte wie Paris, New York und London. Ansich eine schöne Idee, wenn die Grafiken nicht aussehen würden wie in GTA 3. Für die Nicht-OGs unter euch: Das Videospiel stammt aus dem Jahr 2001 und lief auf der Playstation 2.
Der 3D-Brillen-Assistent führt jeden Gast zu seinem Platz für das virtuelle Erlebnis in Retro-Optik. Er ist sehr freundlich, sagt aber leider „Bansky“. Ein Tippfehler auf zwei Beinen quasi. Ein Crashkurs hätte ihm gut getan.
Mir drängt sich immer mehr der Verdacht auf, hier wird ein Künstler ausverkauft, in einer kostenoptimierten Produktion voller handwerklicher Schwächen. Sell out! Inhaltliche Tiefe kommt dabei leider kaum auf, der Audioguide erzählt zwar bereitwillig die Geschichte zu ausgewählten Werken, allerdings gibt es kaum Kontextualisierung oder ein Aufbrechen des Banksy-Horizonts. Eher gleicht die Konzentration auf diese eine Künstlerpersönlichkeit einem Götzendienst. Die Ratte mit Bombe! Und das Mädchen mit dem Ballon. Sogar geschreddert! Kennste, kennste? Banksy, richtiger Held! Vandal or Idol? Ja leck mich doch am Arsch, ein richtig geiler Typ!
Zahlmann betreibt die Mariobarthisierung von Banksy: oberflächlich, massenkompatibel und hallenfüllend
Was würde Banksy selbst dazu sagen? Der Pazifist, der Umweltschützer, der Überwachungsgegner, der Gutmensch? Klar, an seinen wirkmächtigen Symbolen kann sich so eine Schau ruhig mal ganz plakativ abarbeiten. Nur an einem nicht, und da fängt die flinke Ratte an zu humpeln: An Banksys Kapitalismuskritik!
Bis heute widmet er sich größtenteils der vergänglichen und unvergüteten Street Art, spendet oft an wohltätige Organisationen und lehnt den kommerziellen Kulturbetrieb ab. Er veranstaltet keine Ausstellungen und unterstützt diese auch nicht – das macht seine Agentur „Pest Control“ unmissverständlich klar. „A Vandal turned Idol“ ist von ihm entsprechend nicht autorisiert – und Zahlmann macht daraus auch keinen Hehl. Die Ausstellung darf nur stattfinden, weil Banksy als anonymer Künstler keinen wirksamen Rechtsschutz für seine Werke erwirken kann.
Rotzfrech macht die Ausstellung nun genau das, was Banksy aus vollem Herzen kritisiert: Im Laden, an dem es vorbeizusteuern unmöglich ist, gibt es Shirts, Tassen und Notizblöcke. Ka-tsching, und der Gewinn bleibt 100% und tantiemenfrei bei den Zahlmanns. „Exit through the gift shop“ nannte sich ein Dokumentarfilm von und mit Banksy, und genau mit diesem Spruch kokettiert nun die Chemnitzer Ausstellung. Greifen Sie zu, meine Damen und Herren! Den Künstler absichtlich missverstehen, melken und gegen den Strich bürsten, nur weil es geht, weil es die Grauzone nicht verbietet: Das hinterlässt einen richtig üblen Nachgeschmack.